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LARP - Vorurteil und Missverständnis zugleich |
Vorwort: Es ist Mittwoch, 22 Uhr, irgendwo auf einem Feldweg bei Aachen,
in der Nähe der holländischen Grenze. Seltsam gewandete Gestalten
stellen ihre Autos ab und verschwinden nach und nach ins Dunkel der Nacht...
Eine Stunde später: die Gestalten kommen wieder zu ihren Autos
zurück, - eine davon zerfetzt und blutüberströmt - und treten
ins Scheinwerferlicht zweier neu ankommenden Autos: Die gruen weissen Wagen
der oertlichen Polizei. Einer der Gestalten tritt näher. Ein hochgewachsener
Mann mit roten verstrubbelten Haaren, gekleidet in ein schwarzes Schnürhemd,
einen kurzen schwarzen Lackrock und schwarze hohe Stiefel, - ein Gebetbuch
und ein entprechend handgrosses Kreuz in der Hand.
"Guten Tag die Herren! Darf man fragen, was sie hier in der Nähe
der Grenze tun? Noch dazu in dieser Kleidung?" die Polizisten sind freundlich,
aber verständnislos. "Selbstverständlich! Live Rollenspiel! Sagt
ihnen das etwas?" antwortet der Mann in Schwarz ebenso freundlich. "Aber
doch wohl hoffentlich nicht mit Tieropfern?" ...
Ausweise werden kontrolliert und die Gruppe versucht die Polizei und
sich selbst mit Kommentaren aufzulockern: "Für so viel Kunstblut siehst
du aber noch verdammt lebendig aus," oder "Ich leg' dann jetzt die Wasserpistole
in den Wagen zurück ja?" Nach der Ausweiskontrolle der Beteiligten
verschwindet die Polizei, - immer noch Skepsis im Gesicht; - und
der Rest der Gruppe bricht in schallendes Gelächter aus. Szenen aus
dem "Leben" eines Vampire Live Rollenspiels.
In den Köpfen vieler Leute ist und bleibt das Larp (live acting
role play) aufgrund der Unwissenheit und der vielen Vorurteile, immer noch
eine zweifelhafte Sache. Gerüchte, angefangen von "verrückten
Leuten, die gerade Karneval haben", "realitätsfremd" "komische Freaks"
bis hin zu "Satanisten" und "schwarzen Messen" kursieren durch die Bevölkerungsschichten
von Jung und Alt. Und selbst in einer Studentenstadt wie Aachen, wird man
komisch angesehen, wenn man in Gewandung durch die Straßen läuft
oder, fröhlich plaudernd vor der angemieteten Kneipe steht. Fragt
man Larper nach den Erfahrungen mit der Reaktion anderer Menschen, so werden
die meisten von ihnen eine Geschichte über Intoleranz und Unwissenheit
der heutige Gesellschaft zu berichten wissen.
Dabei ist das Larp lediglich eine Mischung aus freiem Theater und dem
bekannteren Pen & Paper Rollenspiel. Denn hinter den Kulissen, - hinter
der Schminke, der Gewandung und den "verrückten" Ideen eines Larps
- stehen ganz "normale" Leute. Menschen wie du und ich.
LARP - Was ist das?
Das LARP, manchmal auch LRS (Live - Rollenspiel) genannt, kommt
dem Theaterspiel wohl am nächsten, da der Spieler sich die Figur seiner
eigenen Fantasie nicht nur vorstellt, sondern selbst verkörpert. Anders
als beim Theater ist allerdings, daß es in dem Sinne keine vorgeschriebene
Rolle gibt, sondern jeder seine Figur (angepasst an die Regeln) nach seinen
eigenen Ideen darstellt. Der Unterschied zum sogenannten Pen and Paper
Rollenspiel, also dem am Tisch, besteht vorallem in den veränderten
Regeln und der Einschränkung der Möglichkeiten. Schließlich
kann man nicht wirklich fliegen, Zaubersprüche wirken oder sich in
ein anderes Wesen verwandeln. Deshalb braucht man auch oder vielleicht
vorallem beim LARP Fantasie und Vorstellungskraft.
Ziel des LARP's ist, genauso wie bei vielen anderen Hobbies auch, vorallem
eins: Spaß haben. Wer abends todmüde aber glücklich über
den schönen, Tag, die schöne Nacht oder das schöne Wochenende,
dass er "verspielt" hat ins Bett fällt, der hat das Ziel erreicht.
Denn im Grunde ist Rollenspiel und damit auch das LARP eine ganz normale
Freizeitbeschäftigung wie viele andere auch. Und ob man nun in einer
Kneipe mit Freunden einen trinkt, quatscht und fröhlich ist, oder
ob man in einer "Taverne" mit Larpern einen schönen Abend verbringt,
- mal ehrlich - der Unterschied ist doch gar nicht so gross oder?
Die meisten Larps sind sogenannte Fantasy LARPs, die in mittelalterlichen
Welten spielen und in denen es Wesen wie Trolle, Orks, Zwerge, Elfen und
Vergleichbares gibt. Seltener, und dann meist in den Städten selbst
angesiedelt - also nicht wie in den Fantasy Larps mal hier auf der Burg
und mal woanders - werden Larps aus anderen Genres wie z.b.: Shadowrun
(Cyberpunk), oder World of Darkness (Vampire, Geister, Werwölfe...)
organisiert. Der Unterschied hierbei liegt vorallem in den verschiedenen
Zeitepochen. Während Fantasy Larps, wie oben bereits erwähnt,
meist im Mittelalter, - also in der Vergangenheit spielen, liegt Shadowrun
in der Zukunft und die WoD (in der Regel) in der Gegenwart. Natürlich
gibt es in jedem System andere Wesen und auch andere Regeln, doch das ist
schließlich beim Pen & Paper Rollenspiel auch nicht anders, oder?
Wo, wer, was, wie, warum und was kostet das?
Larps gibt es inzwischen in fast jeder grösseren Stadt, - die Häufigkeit
hängt von Interesse und Veranstaltern ab. Fantasy Larps finden mittlerweile
jedes Wochenende mehrmals irgendwo in Deutschland statt und können
bei den Veranstaltern selbst oder unter www.larpkalender.de
erfragt werden. Auch WoD Domänen gibt es inzwischen in fast jeder grösseren
Stadt. Informationen hierzu findet ihr ebenfalls im Internet oder ihr fragt
mal in den örtlichen Rollenspielläden nach.
Mitmachen kann jeder der Interesse hat, dabei sollte man sich beim Veranstalter
über die Voraussetzungen informieren. Vorkenntnisse sind meist nicht
erforderlich, - bei WoD Domänen (die anders aufgebaut sind als Fantasy
Larps und oft ein bis vier Mal pro Monat spielen) sollte man zumindest
die Welt kennen, - oder sich Charaktere bauen, die ebenso unwissend sind.
Ausrüstung für Larps hingegen ist völlig unterschiedlich,
je nach Larp und Dauer. Für ein Tages Fantasy Larps braucht man andere
Gewandung und Ausrüstung als für WoD Larps, für Larps über
mehrere Tage wieder andere. Das wichtigeste sind wohl die Gewandung selbst
und Waffen. Wer auf mittelalterlichen Larps mit neongelber Regenjacke oder
(sehr störend) einem Handy auftaucht, wird meist sehr böse angesehen
und stört eindeutig, dass von den Larpern gewünschte Ambiente.
Anders ist es bei WoD Larps. Da es in der Gegenwart stattfindet wäre
dies durchaus kein Problem, solange es zum Charakter passt. Waffen auf
Larps sind Polsterwaffen, oder - bei WoD - Spielzeugpistolen ohne Munition,
die vor dem Larp von der Spielleitung auf Sicherheitsmängel und Spieltauglichkeit
(Verletzungsrisiko) kontrolliert und ggf. aus dem Spiel genommen werden.
Auf längeren Larps (über mehrere Tage) kommen Sachen wie Zelte,
Verpflegung, warme Kleidung, etc. hinzu.
Die Kosten der Teilnahme eines Larps varrieren ebenfalls, je nach Ausgaben
der Veranstalter und Teilnehmerzahl. So kann ein kleines privat organisiertes
Larp in freier Natur null Mark, ein Wochenend Zelt Larp zwischen
70 - 400 Mark kosten. Auch hierzu sollte man vorher den Veranstalter kontaktieren
und nachfragen.
Dazu kommen dann natürlich auch die Kosten der Gewandung und Ausrüstung,
die ebenfalls vollkommen unterschiedlich sen können, je nach Aufwand.
Gewandung kann man bei Larp Händlern (oder im Internet) kaufen, oder
selber schneidern. Die zweite Alternative erfordert natürlich ein
wenig Geschick und Zeit, ist dafür aber viel preisgünstiger.
Schnittmuster bekommt man in jedem Stoffgeschäft und wenn man sie
ein wenig umbaut, kann man sie meist auch für Fantasy Larps brauchen.
(z.B.: einen Umhang oder eine Tunika). Waffen kann man ebenfalls bei Larp Händlern
kaufen - oder jemanden fragen, der sowas schonmal gemacht hat und basteln.
Für das erste Larp könnt ihr euch mit Sicherheit auch erst mal
irgendwo eine Waffe leihen oder ohne spielen. Wäre ja quatsch viel
Geld auszugeben, wenn ihr nicht mal wisst ob euch das neue Hobby gefällt.
Wichtig ist, dass beides zu dem Charakter passt den ihr spielen wollt,
sei es nun ein Elf, ein Priester oder ein Vampir. Wenn ihr nicht weiterwisst,
fragt jemanden aus eurer Umgebung, der Erfahrung hat, oder wendet euch
an die jeweillige Spielleitung bzw. den Veranstalter - die können
euch mit Sicherheit helfen.
Hau Drauf mit viel Hokus Pokus?!
Ein ebenso oft gefragtes Thema sind Kämpfe und Magie. Beim normalern
Rollenspiel ist das allein Vorstellungssache, - beim Larp wird "richtig"
gekämpft, - mit Polsterwaffen oder Spielzeugpistolen. Polsterwaffen
sind Schwerter, Dolche und Stäbe aus Schaumstoff, oft mit einem Kernstab
aus Glasfaser oder ähnlichem und Latex drumherum. Mit diesen Waffen
kann man auch schon mal einen Schlag andeuten ohne den anderen zu verletzen.
Meist haben die Waffen einen Schadenswert, der in Punkten ausgedrückt
wird und der von der Spielleitung vorher festgelegt wird. Dieser Wert wird
bei einem Treffer dann von der Lebensenergie bzw. ggf. der Rüstung
abgezogen. Bei Schusswaffen funktioniert es ähnlich wie beim früheren
"Cowboy und Indianer" Spiel,- man sagt peng und dann den Schadenswert der
Waffe (z.B.: "peng 2"). Auf den Kopf oder den Unterleib wird grundsätzlich
nicht gezielt und bei den meisten Larps ist auch der sogenannte "Infight",
also der Nahkampf ohne Waffen, verboten.
Magie hingegen funktioniert auch im Larp eher mit Vorstellungskraft.
Meist nimmt man zum verdeutlichen der Zaubersprüche oder besonderen
Fähigkeiten (Disziplinen) ein Zeichen oder andere sichtbare Hilfsmittel.
So nimmt man für einen Feuerball vielleicht einen roten Softball,
für die Verwandlung in ein Tier ein entsprechendes Stofftier. Zeichen
könnten bestimmte Gesten sein, die allen geläufig sind (Hand
als Ohr für: "ich lausche") oder die Aussage des Spruches selbst ("Windstoß").
So, ich denke ich habe euch damit fürs erste einen guten Einblick
in die Welt des Larps gegeben und hoffentlich einige Missverständnisse
ausgeräumt. Und wenn euch das nächste Mal seltsame Typen über
den Weg laufen, die gerade nicht in dieser Welt zu weilen scheinen: Ehe
ihr den Kopf schüttelt, oder schimpft, denkt daran: Nicht alles was
man nicht vesrteht ist schlecht oder verrückt. Und keine Angst: -
Es wird niemand angefallen der nicht zum Larp gehört, es werden keine
Tiere geschlachtet und wir feiern auch keine Orgien! Denn wir Larper sind
ebenso wie ihr ganz "normale" Menschen.
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